Die Küste der Freiheit by Maria W. Peter
Autor:Maria W. Peter [Peter, Maria W.]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 978-3-8387-2480-5
Herausgeber: Bastei Entertainment
veröffentlicht: 2015-03-30T16:00:00+00:00
KAPITEL 4
Vor Philadelphia, Pennsylvania,
18. Juni 1778
Das Glück ist mit den Mutigen. Lorenz spürte, wie ihn Zuversicht, ja beinahe ein Anflug von Triumph durchströmte, als Perikles den letzten Hügel erklomm, der ihn von Philadelphia trennte. Je näher sie der Stadt kamen, desto mehr erfüllten ihn Erleichterung und Vorfreude.
Alles würde gut werden.
Nur noch ein paar Meilen, dann hätten Anna und er Philadelphia erreicht und sie wären beide in Sicherheit. Sehnsucht erfüllte Lorenz bei dem Gedanken an ein erfrischendes Bad, ein Glas kühles Bier und ein weiches Bett. Aber zuvor musste er sich nach einem Arzt für Anna umschauen, um sicherzugehen, dass sie wieder auf die Beine käme. Und dann – Lorenz fragte sich, weshalb er nicht früher darauf gekommen war – würde er sich darum kümmern, dass Anna eine Anstellung in einem deutschen Haushalt bekäme. Am besten in einem, wo man keine neugierigen Fragen nach der Herkunft eines neuen Dienstmädchens stellte. Und sobald es Anna besser ginge, hätte er die Gelegenheit, sie regelmäßig zu sehen.
Von neuem Optimismus erfüllt, trieb er Perikles an, bis sie die Hügelspitze erreicht hatten, von der aus er endlich einen Blick auf Philadelphia werfen konnte, die Stadt, die ihm nach den Strapazen der gefährlichen Reise fast wie das gelobte Land vorkam.
Zufrieden tätschelte er Perikles’ Hals. »Gut gemacht, alter Knabe.« Dann richtete er sich wieder im Sattel auf, blickte nach unten – und erstarrte.
Was er sah, ließ all seine Hoffnung zerbersten.
Staub lag über der Stadt wie eine Dunstglocke.
Staub, aufgewirbelt von Hunderten Füßen, die im Gleichschritt marschierten, hinaus aus der Stadt in Richtung Nordosten.
Großer Gott!
Was hatte das zu bedeuten? Alarmiert trieb er sein Pferd weiter an. Er musste schnellstens herausfinden, was geschehen war. Anna hielt er noch immer fest an sich gepresst, als könne er sie so vor allem schützen.
Je näher sie kamen, desto deutlicher erkannte Lorenz die Lage. Ein Exodus von Menschen, wie ein roter Fluss schimmerten die Uniformen der Briten durch die trübe Wolke aus Staub hindurch, durchbrochen vom hessischen Grün …
Als wäre er gegen eine gläserne Wand gerannt, riss er Perikles am Zügel und blieb ruckartig stehen.
Sie zogen ab! Die Briten und Hessen zogen ab, ließen die Stadt zurück, die Hauptstadt der Rebellen, der Unterpfand des Sieges. Das konnte nicht sein, das durfte nicht sein! Einen Moment zögerte er. Was sollte er jetzt tun?
Das Pferd unter ihm schnaubte ungeduldig. Es blieb Lorenz keine andere Wahl, als zu versuchen, die abrückenden Truppen zu erreichen, um zu hören, was geschehen und wie nun weiter vorzugehen war.
Ein Stöhnen in seinen Armen riss ihn aus seinen Überlegungen. Bläuliche Schatten hatten sich um Annas Augen gebildet, ihre Lippen waren rissig, und Schweißperlen standen ihr auf dem Gesicht.
»Sind wir endlich da? Haben wir es geschafft?«, fragte sie leise.
Eine Berührung ihrer Schläfen zeigte Lorenz, dass ihr Fieber wieder gestiegen war. Er nickte. »Vor uns liegt Philadelphia. Aber …« Er wusste nicht, wie er ihr erklären konnte, dass all ihre Hoffnungen erneut zunichtegemacht worden waren. »Wir können nicht dorthin. Schau selbst. Unsere Truppen und die unserer Verbündeten räumen gerade die Stadt. Ich weiß nicht, was vorgefallen ist … Großer Gott.
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